Vorbemerkung
Die klassisch-liberale Definition von Allmend-, Kollektiv- oder Gemeingütern (oft synonym verwendet) geht am Kern der Commonsidee vorbei. Denn sie bleibt beschränkt auf zwei wesentliche Kriterien der Definition ökonomischer Güter: den Exklusions- und den Rivalitätsgrad. Diese Kriterien beziehen sich zudem nur auf eines der beiden Kernelemente des Commonsbegriffs: die materiellen oder immateriellen Ressourcen.
Was sind Commons?
Commons (Gemeingüter) sind eine soziale Beziehung. Sie sind nicht die kulturellen, sozialen und natürlichen Gaben selbst, sondern erwachsen aus unserer Beziehung zu ihnen. Der Commonsbegriff beschreibt also Art und Charakter der Beziehung zwischen den Gemeinressourcen (siehe unten) und jenen sozialen Gruppen, die Ansprüche auf sie erheben, indem sie ihre Zugangs- und Nutzungsrechte an den Ressourcen in unterschiedlichen Formen gestalten.
Der Begriff der Commons macht deutlich, dass all das, was in der Natur vorkommt oder als kulturelles Erbe überliefert wurde durch uns nur nutzbar wird, wenn wir miteinander sinnvolle Wege finden, uns allen diese Ressourcen zu erschließen. Auch Robinson Crusoe war nicht völlig ohne sozialen Kontakt in der Lage, aus der Fülle der Gaben von Natur und Kultur zu schöpfen. Und zu überleben.
Commons sind demnach nicht als objektiv und unabhängig von einer sie tragenden sozialen Entität zu begreifen, sondern die Verfassung der Gemeingüter (Allmende) spiegelt die Verfasstheit unserer Gesellschaft. Ob wir etwas als Commons verstehen, ist nicht einer Ressource - nicht dem Wald, dem Wasser oder den Wissensbeständen inhärent. Ein Common entsteht vielmehr durch die besondere Art von Bindungen, Norme und Regeln, die eine bestimmte Ressource zum Common macht. Es ensteht durch uns.
Deshalb ist die so genannte "Tragik der Allmende", die Metapher von der zwangsläufigen Übernutzung natürlicher Ressourcen zu denen alle Zugang haben, keine Tragik der Ressourcen, sondern eine Tragik der Gesellschaft. Sie ist von uns hergestellt und durch uns veränderbar.
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There are no commons without commoning.“ (Peter Linebaugh) Gemeingüter entfalten sich in der sozialen Praxis. Einem Menschen die Teilhabe an den Commons zu entziehen oder zu verweigern, heißt, ihn zu isolieren.
Commons sind – in den Worten von Stephen Gudeman „nichts Physisches, sondern ein soziales Ereignis“. Ihre Erosion zerstört die Gemeinschaft, und die Erosion der Sozialbeziehungen zerstört die Gemeingüter. Insofern scheint folgerichtig, dass auch hoch individualisierte moderne Gesellschaften scheitern, wenn sie am Umgang mit den Gemeingütern gemessen werden. Die parallel sich verschärfenden Krisen der Umwelt- und Sozialsysteme, der Wirtschafts- und Finanzarchitekturen, der Nahrungsmittel- und Gesundheitsversorgung machen dies in aller Dramatik deutlich.
Die Funktion der Commons
Commons (Gemeingüter) sind das Netz des Lebens.
Sie sind multifunktional: Sie dienen der Grundversorgung - als Nahrung, Energiequelle und Rohstoff für Medizin. Sie dienen der menschlichen Kommunikation und Mobilität, der Innovation und Kreativität. Wir durchqueren die Allmende auf dem Land-, Luft- und Seeweg, Wir bedienen uns der Sprache. Wir nutzen die Gemeingüter als Speicher für Biodiversität, Wissensbestände, Information, Kunst, Traditionen und Gesetze. Wir benutzen sie als Müllschlucker, als Auffangbecken der Abfallprodukte unseres Konsums (Wasseraufbereitung, Sauerstoffreproduktion, CO2 Absorbtion).
Gemeingüter dienen aber auch dem sozialen Zusammenhalt selbst, denn über die gemeinsame Nutzung des Dorfplatzes oder des städtischen öffentlichen Raums, durch das Kümmern um natürliche Ressourcen oder die gemeinsame Entwicklung neuer kultureller Güter entsteht gelebte Gemeinschaft(lichkeit.)
Eine Form des Lebens und Wirtschaftens, die nicht aus der Fülle der Gemeingüter schöpfte, ist undenkbar. Natürliche Ressourcen können ohne uns sein. Aber wir nicht ohne sie. Genauso wesentlich ist uns die über Jahrtausende kollektiv geschaffene Kultur- und Wissensallmende. Sie ist für Bildung, Kultur und Medizin so wichtig wie die sprichwörtliche Luft zum Atmen.
Mit dem Begriff der Commons verbinded sich weniger die Idee der Versorgung (wie im Falle öffentlicher Dienstleistungen für die der Staat verantwortlich ist), sondern vielmehr die Idee der Fürsorge: für unsere Umgebung und füreinander.
Gemeingüter sind unser aller Reichtum. Sie sind fundamental und existenzsichernd. Ohne sie ist das Überleben jedes Menschen nicht möglich.
Kernelemente des Commonsbegriffs:
Gemeinressourcen
Gemeinressourcen sind entweder unser gemeinsames natürliches Erbe oder das, was im Ergebnis kollektiver Produktion an kulturellen und immateriellen Werten entstand und überliefert wurde.
Die Ressource oder das Ressourcensystem (Fischgründe, Grundwasservorkommen, Erdoberfläche, Weideland, Ozeane, Algorithmen, Kulturtechniken, Wissensbestände usw.) werden im Englischen als „common pool resources“ bezeichnet.
Das, was Einzelne dem System entnehmen und sich aneignen können (der gefangene Fisch, die entnommenen Kubikmeter Wasser, die aus den Wissensbeständen gefilterten Ideen und Informationen) bezeichnet Commonstheorie als „flow of resource units“, etwa: gemeinressourcenerzeugter Reichtum (Produkte oder Dienstleistungen).
Gemeinressourcen — gleich ob stofflich oder nicht —, sind Grundlage aller produktiven, reproduktiven und kreativen Prozesse in jedweder Wirtschaftsform. Ohne Gene keine Vielfalt. Ohne Land keine Nahrung. Ohne Licht kein Wachstum. Ohne Töne keine Musik. Ohne Sprache keine Kommunikation. Ohne Wissen kein Fortschritt. Ohne Wasser kein Leben.
Stoffliche Gemeinressourcen bedürfen der Zugangsbeschränkung, um sie vor Übernutzung zu schützen. Für nicht stoffliche, immaterielle Gemeinressourcen, hingegen gilt, dass niemand von dessen Nutzung ausgeschlossen werden kann und darf, da verschiedene Nutzer nicht miteinander um die Nutzung der Ressource konkurrieren (müssen) und sich durch die Nutzung die Substanz der Ressource, i.d.R. nicht verringert – sondern sich im Gegenteil eher vergrößert.
Gemeinressourcen müssen stets in nutzbare Formen umgewandelt werden. Gene werden „entschlüsselt“, Land bearbeitet, Töne kombiniert und gespeichert, Sprache in Sätze, Artikel und Bücher gegossen. Wasser geschöpft, verteilt und gereinigt. Wissen, um kommunikabel zu sein, muss in einem Werk, einem Informationsprodukt repräsentiert werden.
Wie genau diese Umwandlung geschieht, zu welchem Zweck und zu wessen Nutzen, bestimmt letztlich darüber, ob eine vorhandene Ressourcen über- oder unternutzt wird. Ob sie der Allgemeinheit zur Verfügung steht oder ob sie ihr entzogen wird. Ob sie ihren Charakter als Common entfalten kann oder nicht. Wenn wir also von einer Sache oder Ressource als Gemeingut reden, sie als grundsätzlich der Gemeinschaft gehörend verstehen, dann erhebe wir besondere Ansprüche und Anforderungen an die Umgangsweise mit dieser Sache. Gemeingüter haben immer in der Verfügungsgewalt der jeweiligen Gemeinschaften zu bleiben.
Gemeinressourcen können grundsätzlich verschiedenen Eigentumsregimen (siehe Commons und Eigentum) unterliegen: Privateigentum, Staatseigentum oder eine andere Form des Gemeineigentums. Nicht alle Gemeinressourcen sind Gemeineigentum.
Gemeingüter und Eigentum
Der Begriff der Commons und der moderne Begriff des Privateigentums stehen zunächst im Widerspruch zueinander. Privateigentum räumt dem Eigentümer umfangreiche Exklusivrechte ein, insbesondere auch das Recht zur Veräußerung, zum Verkauf. Bei Commons können diese Rechte nicht oder nur in beschränkter Form an einen Eigentümer abgetreten werden — andernfalls wären sie keine Commons, oder ihr Status als Commons wäre äußerst prekär, da er durch Entscheidung des Eigentümers jederzeit beendet werden könnte.
Das heißt nicht, dass Commons nicht ein Eigentümer gemäß bürgerlichem Recht zugeordnet werden kann — so bleiben kulturelle Commons wie Freie Software und Freie Kulturgüter im Allgemeinen das Eigentum ihrer Urheber (die das Urheberrecht an ihnen besitzen). Aber zu einem Teil der kulturellen Commons werde sie nur dadurch, dass diese Eigentümer sie unter einer Freien Lizenz (wie der GPL oder einer Creative-Commons-Lizenz) veröffentlichen und damit unwiderruflich auf einen Teil ihrer Eigentumsrechte verzichten. So können die Autoren einer Freien Software die Software nicht mehr exklusiv an eine Firma verkaufen oder lizenzieren, da sie sie bereits der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt haben.
Während es bei Commons also kein beliebiges Veräußerungsrecht geben kann, kann es weiterhin einen Eigentümer geben, der über bestimmte andere Rechte verfügen kann. Eigentum ist ein Rechtebündel, es umfasst eine ganze Reihe unterschiedlicher Rechte. Wer erhält Zugang zur fraglichen Ressource (Zugangsrechte), wer darf sie für welche Zwecke nutzen (Nutzungsrechte), wer darf (z.B. bei Wasser) wie viel entnehmen (Entnahmerechte), wer gilt als Urheber eines Werkes (im Urheberrecht)?
Bei Freier Software und Freien Inhalten werden der Allgemeinheit umfangreiche Nutzungsrechte eingeräumt, das Recht, als Urheber anerkannt zu werden, verbleibt dagegen bei den Schöpfern des Werkes. Bei materiellen Commons wie öffentlichen Parks können die Zugangsrechte für die Allgemeinheit geöffnet werden, während es weiterhin einen Eigentümer (z.B. den Staat oder einen Verein) geben kann, dem das Grundstück gehört und der dafür offiziell verantwortlich ist.
Commons können also einen Eigentümer haben, doch ist es entscheidend, dass sie nicht oder nur eingeschränkt verkaufbar sind, dass also die üblichen Veräußerungsrechte entfallen. Bestimmte andere Rechte müssen, z.B. per unwiderrufbarer Erklärung (wie bei Freier Software) oder per Vereinbarung, mit der Allgemeinheit geteilt werden, damit man sinnvollerweise von Commons sprechen kann; weitere Rechte (wie das Recht auf Anerkennung) können bei den jeweiligen Eigentümern bzw. Urhebern verbleiben.
[[WEITER ZU SCHREIBEN]]
Bausteine:
- Besitz und Eigentum
- (erledigt) Rechtebündel: Zugangsrechte, Nutzungsrechte, Entnahmerechte usw. Knackpunkt: Kein Veräußerungsrecht/ offene Austauschmärkte statt kommerzielle Verwertungsmärkte
- 14.2. Grundgesetz, Eigentum verpflichtet
weitere Bausteine - Thesen Rainer Kuhlen:
Das offensichtliche Problem des Missbrauchs, der Über- bzw. Unternutzung oder sogar der Vernichtung von Commons beruht im wesentlichen auf einem „Missverständnis“ des Eigentumbegriffs, nämlich dass es als „rechtens“ angesehen wird, dass bei der Übertragung der common property rights individuelle (private) Eigentumsrechte entstehen, wo, entsprechend eines konsequenten Commons-Verständnisses nur jeweils unterschiedliche definierte (i.d.R. aber nicht-exklusive) Nutzungsrechte entstehen dürften. Die Institutionalisierung von Commons als Umwandlung von common properties in private properties ist unter dem Einfluss westlichen Denkens (Aufklärung, christlich-jüdische Traditionen) zu einem weitgehend normativ und gleichermaßen rechtlich (sogar völker- und menschenrechtlich) geschützten Prinzip geworden.
(These R.K.)
"Die Institutionalisierung des Commons, die Überführung in ein handhabbares, kommunizierbares „Produkt“ (man made), kann keine neuen Eigentumsrechte begründen, durch die die Rechte aller am zugrundeliegenden Commons eingeschränkt oder sogar aufgehoben werden." (These R.K.)
Zugangsrechte müssen bei unterschiedlichen Gemeingütern unterschiedlich gestaltet sein,
Für immaterielle Güter: "Open Access (OA) ist eine Form der Wiedereinsetzung der common property rights durch die Zusicherung des offenen, freien (gratuit et libre) Zugriffs zu den das Commons Wissen repräsentierenden Informationsobjekte.
u.v.m.
Enclosure of the Commons - Die Einzäunung der Gemeingüter
[[NOCH ZU SCHREIBEN]]
Fazit
In der Gemeingüterdebatte geht es im Wesentlichen um die Qualität der Beziehung zwischen den sozialen Akteuren und den Ressourcen. Unabhängig davon, ob etwas von der Gemeinschaft (in der Regel Seen, Quelle, Teiche, Wälder, Weideflächen, traditionelles Wissen), vom Staat oder multilateralen Institutionen (Nationalparks, Wissensbestände, Fischbestände in der exklusiven Wirtschaftszone, Atmosphäre) oder gar privat verwaltet wird, lassen sich folgende Ansprüche aus Charakter und Funktion des Umgangs mit den gemein verfügbaren Ressourcen ableiten.
- Gerechter Zugang: Alle Mitglieder der jeweiligen Gemeinschaft, die Mitbesitzenden, erhalten in gleicher Weise Zugang. Dies bedarf - insbesondere bei natürlichen Ressourcen - der Grenzziehungen, um Zugangsrechte zu beschränken.
- Gerecht geteilter Nutzen: Die Erträge der Bewirtschaftung oder Fortentwicklung eines Gemeinguts sollen allen in gerechter Weise zugute kommen.
- Verantwortung für den Erhalt der Ressource: Commons brauchen Kümmerer, um Kummer mit den Commons zu vermeiden. Um das Ererbte unvermindert, ja idealerweise vermehrt, gesünder und produktiver der Nachwelt zu übergeben. Damit unvereinbar wäre das Recht, die Gemeinressourcen individuelle zu veräußern, da es die genannten Prinzipien preisgeben würde. (Siehe Gemeingüter und Eigentum)
- Demokratische Entscheidungsfindung: Alle Anspruchsberechtigten an den Gemeingütern haben prinzipiell gleiche Entscheidungsrechte. Die Entscheidungsfindung betrifft alle zentralen Fragen des Zugangs, der Kontrolle und der Nutzung. Sie ist als Prozess zu verstehen, dessen Funktion auch darin besteht, den Menschen ihre Mitverantwortung für die Commons stets bewusst zu halten. Die Ausübung dieser Entscheidungsrechte als gelebte Praxis macht Ressourcen erst zu Gemeingütern.
Diese Anforderungen bergen die Kernelemente des Gemeingutbegriffs als politisches Paradigma.
Die Rede von Gemeingütern postuliert stets die Verfügungshoheit der jeweiligen Gemeinschaft, dieser und folgender Generationen, an denselben.
(Noch zu integrieren: Commons - jenseits von Markt und Staat nicht versus Markt oder Staat)